Kampfszenen schreiben

StreitkolbenDies wird keine perfekte Anleitung, wie ab sofort jeder die absolut mitreißende, umwerfende und turbotolle Kampfszene schreiben kann. Aber ich habe nun von mehreren Seiten gehört, dass das Schreiben dieser Szenen schwer fällt – und dass meine Kampfszenen gefallen. Dankeschön!

Ich schreibe Heroic Romantic Fantasy – „Schmachten & Schlachten“, und natürlich dürfen da Kampfszenen nicht zu kurz kommen, präsentieren sie doch den Helden im martialischen Leuchten eines entfesselten Kriegsgotts. Mein Setting ist also ganz grob dem europäischen Mittelalter vergleichbar. Waffen und Rüstungen müssen nicht immer aus dieser Epoche und Region kommen. Meine Jungs arbeiten mit Axt (Zweihandaxt, die es so nur in der Fantasy gibt), Schwert, Säbel, Streitkolben, Klingenstab, Dolch und notfalls auch Stilett. Sie sind unterschiedlich gerüstet, wobei nur der Wikinger-Grimmenhelm (Brillenhelm) meistens auftaucht.

Schwert, Wikingeraxt, Streitkolben

Schwert, Wikingeraxt, Streitkolben

Die Perspektive:

Wichtig ist, wer da gerade zusieht und für den Leser beschreibt, wie weit diese Figur vom direkten Geschehen entfernt ist. Welche Motivation hat die Figur, den Kampf zu beobachten? Wie bewandert ist die Figur selbst im Umgang mit Waffen?

Ist er einer der Kämpfer? Dann bekommt er nichts von einem womöglich riesigen Schlachtfeld mit außer seinem eigenen Kampf. Seine überlasteten Muskeln, den Gestank nach Blut und Kot, das Hämmern des Herzens etc.

Ist er ein Heiler in der zweiten Reihe, verliebt in jemanden? Besorgt um jemanden, den er erst 10 Minuten vorher wieder zusammengeflickt hat? Dann starrer Blick auf diesen einen Kämpfer, jedes Straucheln, Keuchen, jeder Schlag wird akribisch festgehalten.

Ist es ein Bogenschütze in der dritten Reihe? Der sieht nur Schnappschüsse, weil er ja Pfeil um Pfeil entlässt. Und nur im Moment des Zielens sieht er etwas klar, bis der Pfeil im Gegner einschlägt. Denn er folgt mit dem Blick dem Geschoss.

Pfeil auf der Sehne

Pfeil auf der Sehne

Die Nähe:

Meiner Überzeugung nach ist Nähe das A und O. Sonst beschreibt der Autor nur ein undurchsichtiges Wogen, Hauen und Stechen, ohne den Leser mit sich auf das Schlachtfeld zu ziehen.

Nähe bedeutet für mich auch, dass der Kämpfende nur das in seinem direkten Umfeld wahrnimmt. Ich nehme Gerüche stark mit rein, und da meine Jungs (bis auf drei Ausnahmen: Kenna, Farlin und Shadac) alle um die Vierzig sind (also alt für Krieger), kommen auch körperliche Wehwehchen dazu, die der Krieger im Moment des Zuschlagens abgemildert dank Adrenalin wahrnimmt.

Aber das Allerwichtigste ist die Nähe, der Tunnelblick des Kämpfers, der nicht ringsum gemütlich zusehen kann, was seine Leute alles machen, ob da vielleicht einer gerade Probleme hat oder einen Sieg einfährt. Der Krieger ist vollauf damit beschäftigt, seine Gegner zu Boden zu senden und selbst am Leben zu bleiben.

Ich beschreibe diese Nähe gerne mit einem Kameramann. Meiner steht nicht mit einem Teleobjektiv oben auf einem Berg drei Meilen entfernt, wo die Luft klar und frisch schmeckt und Schmetterlinge ihn umflattern und Vögel singen, sondern er klebt dem Kämpfenden (oder einem der oben genannten Perspektivträgern) auf der Schulter, spürt die Erschütterungen, hört den Schlachtenlärm, wird von oben bis unten mit Blut vollgespritzt und riecht alles, was sich da so tummelt: ungewaschene Körper, Blut, Schweiß, Urin und Kot.

Eine kleine Waffensammlung: Schwerter, Speer, Pfeil und Bogen, Streitkolben und Axt

Eine kleine Waffensammlung: Schwerter, Speer, Pfeil und Bogen, Streitkolben und Axt

Einzelheiten:

Ich beschreibe keine Kampfschritte aus einem Handbuch für französischen Degenkampf. Keine Terz, keine Finte. Ich beschreibe nicht, wie der Kämpfende seine Füße stellt, in welchem Winkel er das Schwert hält. Vor allem lasse ich ihn nicht mitten im Kampfgetümmel darüber nachdenken, ob er die Waffe jetzt genauso einsetzt/hält etc., wie Meister Gottdeskampfes ihm das mal vor zweiunddreißig Jahren auf einem Kasernenhof im strahlenden Maisonnenschein … Nein. Der Kämpfende denkt nicht weiter als bis zur Spitze seiner Waffe, die irgendwie in den Kerl ihm gegenüber rein muss, damit der endlich stirbt und mein Krieger die Chance hat, den Kampf zu überleben.

Aber: Details wie Blut, das Röcheln eines Sterbenden, eine Gestanksmischung aus Kot und Schweiß, Schmerzen, Überlastung, Atemnot, ein Knie, das einfach zu alt für einen solchen Kampf ist und dauernd nachgeben will, eine quackenasse Rüstung, Verheddern in Eingeweideschlingen, Hängenbleiben an einer Leiche, schlammiger Untergrund, blutroter Schnee, eine Dunstwolke von Blutnebel, Schweißdünsten und Atemluft über den Kämpfenden: JA!

 

Schwertheft

Der Beweis: Autorinnen können rabiat sein.

Auch Massenschlachten beschreibe ich nach diesem Muster. Der Perspektivträger sieht halt nur das, was von seinem Standpunkt aus erkennbar ist. Vielleicht ist die Figur dabei selbst überfordert, verwirrt oder besorgt, oder sie hält nur nach den Knackpunkten Ausschau, ob z.B. Stellung XY gehalten werden kann.

 

Das sind meine Gedanken zu Kampfszenen. Und wie es viele Autoren und viele Kampfszenen gibt, existieren ganz gewiss auch viele verschiedene Ansätze, wie solche Szenen geschrieben werden können.