Betalesen III

Tina Alba hat über den Umgang mit Kritik gebloggt. Das paßt mir gerade wunderbar in den Kram, und ihre Gedanken kann ich sehr gut nachvollziehen.

Die bislang härteste Kritik zu einer veröffentlichten Kurzgeschichte attestierte mir einen "Schmonzettenschreibstil". Autsch, das hat richtig, richtig wehgetan. Da eine andere Kurzgeschichte dem Rezensenten allerdings freundliches Lob entlockte, lernte ich mit dem Verriß zu leben. Was soll ich auch anderes tun? Mit keiner Geschichte kann ich es jedem recht machen, jeden erreichen und begeistert. Das ist einfach so. Ich gebe mein Bestes.

Womit ich den Bogen zurück zum Betalesen schlage: Sobald ich für einen neuen Autor betalese, schreibe ich meinen üblichen Spruch, den ich all meinen Anmerkungen vorausstelle:
Dies stellt meine Meinung dar. Nichts davon ist böse oder als persönlicher Angriff gemeint. Dies sind meine Hilfestellungen, mit denen Du meiner Meinung nach Deine Geschichte verbessern kannst. Nimm, was Du gebrauchen kannst, vergiß den Rest. Nur bei den Kommata lasse ich nicht mit mir verhandeln.

Und genauso, denke ich, sollte jeder Autor die Meinungen eines Betalesers aufnehmen. Manchmal gibt es Mißverständnisse (Warum? Vielleicht hat der Autor etwas nicht deutlich genug ausgedrückt, weil er seinen Text und die Hintergründe gut kennt. Möglicherweise hat der Betaleser zwei Seiten vorher ein wenig unaufmerksam gelesen, weil er/sie sich auf Wortwiederholungen konzentriert hat.). Manchmal stört ein Betaleser sich an einer Autorenmarotte, die sparsam dosiert gar nicht schlimm wäre. Ich zum Beispiel habe eine unüberwindliche Aversion gegen das Verb "schauen". Ich behaupte, daß das irgendwie dialektisch ist. Südlich der Elbe, ganz bestimmt. Und wenn ich dann auf einen Autor stoße, der dieses "schauen" inflationär oder sogar alternativlos verwendet, mache ich bissige Anmerkungen.

Ich gebe mir auch Mühe, gelungene Stellen und Formulierungen zu loben. Diesbezüglich bin ich ein wenig zu sparsam, und das weiß ich. Dabei freue ich mich doch selbst immer, wenn ich ein kurzes, aber prägnantes *kicher*, *sabber* oder *YEAH!* am Rand notiert finde.

Ich weiß, wie besorgt und nervös ich bin, wenn eine meiner Geschichten an einen Betaleser geht. Wird sie gefallen? Oder einfach nur als doof und platt angesehen? Habe ich es geschafft, meine regelrechts und wirklichs zu bändigen? Sind da wieder hunderttausende Verbfaulheiten und Wortwiederholungen drin? Aber das Wichtigste: Kriegt mein Betaleser an den richtigen Stellen Herzklopfen?

Tina Alba bezeichnet Geschichten als Kinder. Und das sind sie. Ich halte es für sehr wichtig, daß sie auch ohne eine schützende Autorin, die wie eine Helikopter-Mama um sie herumrennt, laufen lernen. Auch wenn das manchmal weh tut.